Samstag, 6. August 2016

Auf dem Weg nach Rio

Auf dem Weg nach Rio
Gerade am Flughafen in London angekommen und noch vier Stunden Wartezeit vor mir, ist es wahrscheinlich der richtige Moment, mit meinem ersten Blogbeitrag zu den Olympischen Spielen zu beginnen. Warum bloggt gerade der Präsident? Weil der in den nächsten Tagen am wenigsten vom gesamten Team zu tun hat :). Unsere Öffentlichkeitsarbeiter vor Ort, Jochen Meyer für den Kanu Slalom und Hans-Peter Wagner für den Kanu-Rennsport haben mit dem Tagesgeschäft so viel um die Ohren, dass sie wahrscheinlich wenig Zeit haben, hinter die Kulissen zu schauen und Geschichten auch außerhalb unseres Sports zu erzählen. Ob ich das kann, müssen wir sehen, aber ich versuche zu mindestens so viel wie möglich  über unsere beiden Olympischen Disziplinen, aber auch über die Stadt und die Atmosphäre zu schreiben.
Ein wichtiger Hinweis an alle die das lesen. Als Präsident sollte man normalerweise nicht in so lockerer Form in einem Blogg schreiben, da manchmal Worte des Präsidenten auf die "Goldwaage" gelegt werden. Deshalb hier und jetzt zur Klarstellung - in diesem Blogg wird keine Verbandspolitik vorgestellt und das, was ich schreibe muss nicht unbedingt die Mehrheitsmeinung unseres Verbandes widerspiegeln. Es ist lediglich meine subjektive Wahrnehmung und Meinung und soll all die Fans, die Kanubegeisterten, die Übungsleiter in den Heimatvereinen und Trainer an den Bundesstützpunkten und alle die es interessiert, unterhalten. So viel zur Einleitung.

Ich bin wirklich froh, dass Olympia letzte Nacht endlich losgegangen ist. Wahrscheinlich wird der Mechanismus der vergangenen Spiele, ab Entzündung der Flamme werden die unangenehmen Themen in den Hintergrund gedrängt, auch in Rio mehr oder weniger funktionieren. Danach müssen  alle, die im internationalen Sport Verantwortung tragen sich aber dringend aufmachen, die wirklichen Probleme nicht wieder aufzuschieben, sondern versuchen sie zu lösen.

Gelingt es dem organisierten Sport weltweit nicht, qualitativ gleichwertige und effiziente Dopingkontrollsysteme in allen Ländern zu installieren, wird der olympische Sport so wie wir ihn heute kennen und mögen zur Zirkusveranstaltung, wo wir dem Zuschauer nur noch etwas vorgaukeln.
Ich hätte ja eine einfache Lösung für ein effektives Dopingkontrollsystem: Lasst nicht mehr die eigenen Dopingagenturen im Land prüfen, sondern mischt das bunt durcheinander. Warum sollen nicht die Russen die Verantwortung für die Dopingkontrollen in den USA und die USA in Russland übernehmen? Zugegebenermaßen ein sehr naiver Ansatz. Trotzdem müssen wir bisher undenkbares Denken, um zukünftig faire Bedingungen und sauberen Sport zu garantieren.

Auch den Kanu-Rennsport hat es erstmals so richtig erwischt. 9 Rumänen mit Meldonium, 5 Weißrussen mit positiven Dopingtests und einer Durchsuchung ihres Trainingsquartiers in Frankreich und dem dortigen Fund von Dopingequipment, Kasachen, Ungarn und natürlich die im McLaren Bericht erwähnten Russen haben unseren Sport in den letzten Monaten viel Kredit gekostet. Die ICF hat bis zu einem gewissen Punkt hervorragend reagiert und von den Möglichkeiten der Satzung Gebrauch gemacht, bei mehr als 4 Dopingvergehen in 12 Monaten ein gesamtes Team (Rumänien) oder eine Disziplingruppe (Weißrussland Kajak und Canadier Männer) zu suspendieren. Das IOC war da weniger konsequent und hat die Russen unter bestimmten Bedingungen zugelassen. Immerhin auch 5 für Olympia nominierte Kanuten aus Russland standen auf dieser Liste mit offensichtlich in den Jahren 2013 bis 2016 nicht veröffentlichten positiven Dopingtests und wurden durch die ICF für Olympia suspendiert (eigentlich wollte ich ja in diesem Blog keine Sportpolitik machen aber dieser kurze Überblick gehört zur Wahrheit  dazu). Aber jetzt kann ich endlich zum Sport kommen.
Morgen geht es für die Slalomfahrer los. Sie sind gut im olympischen Dorf angekommen und fühlen sich wohl. Das olympische Dorf ist klasse und sie staunen nur über die negativen Schlagzeilen in Deutschland über die Zustände im Dorf. Ich finde, wir Deutschen dürfen nicht immer versuchen, alles an unseren Maßstäben zu messen. Sollen wir uns doch für Olympia bewerben und beweisen, dass wir funktionierende Klospülungen können ( jetzt bin ich schon wieder bei der Sportpolitik)

Als ich den Cheftrainer am Mittwoch angerufen habe, ploppte gerade der Verschluss einer Bierbüchse im Hintergrund und ich konnte am Telefon deutlich das Meeresrauschen hören. Das Team hatte gerade den freien Nachmittag an der Copacabana verbracht und wollte nach einer Woche Olympischem Dorf mal auswärts essen gehen. Alle sind gesund und optimistisch und fiebern jetzt natürlich dem ersten Start entgegen. Langsam kommen wohl auch die Einwohner Rios, die Carioca in Olympiastimmung und man spürt lt. Aussage unserer Slalomsportler die Vorfreude auf die Spiele.

Wie sind wir beim Kanuslalom aufgestellt ? Ich persönlich glaube, so gut wie lange nicht mehr. Erstmals seit Jahren haben wir in allen 4 klasse Boote am Start, die bereits bewiesen haben, dass sie auf das Podest paddeln können. Olympia ist aber anders und Vorhersagen im Slalom nicht möglich. Warten wir ab was passiert und drücken alle gemeinsam die Daumen. Die Sportler und Trainer haben im letzten Jahr einen Klasse Job gemacht und ich bin sicher, diese Arbeit wird sich auszahlen.
Die Rennsportler sind noch in Duisburg im Trainingslager und fliegen am kommenden Mittwoch.

Letzten Mittwoch und Donnerstag waren Verabschiedungen in Essen und Duisburg inklusive Eintrag in die goldenen Bücher der Stadt und das waren willkommene Abwechslungen nach dem anstrengendem Training der letzten Wochen. Natürlich war das Dopingthema das beherrschende Gesprächsthema in der Mannschaft und keiner aus dem Team hat verstanden, warum das IOC nicht die gesamte russische Mannschaft gesperrt hat. Vielmehr Gesprächsthemen gab es nicht nach ca. 12 Wochen harten Trainings in gemeinsamen Trainingslagern und man merkt, dass alle auf die Wettkämpfe fokussiert sind und es nicht mehr abwarten können, dass es los geht. Ein Sportler hat leichte Halsschmerzen aber das bekommt unser Doc schon hin.

Wie sind unsere Chancen im Sprint ? Auch hier bin ich optimistisch. Unsere Trainer sagen immer, dass bei Olympia die Hälfte der Medaillenchancen aufgeht. Ich persönlich glaube, dass wir in 10 der 12 Wettbewerbe Medaillenchancen haben und hoffe, dass wir die angepeilten 5 bis 6 Medaillen mit nach Hause nehmen können. Da braucht man auch nicht um unsere Verbandsziele drum rumreden, da auch die meisten unserer Sportler Edelmetall im Visier haben.
So, dass war es fürs Erste. Jetzt noch 12 Stunden im Flieger und dann geht es richtig los. Das nächste Mal melde ich mich morgen nach dem ersten Slalomvorläufen.

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